Aktuelle Entwicklungen im Dieselabgasskandal

Endlich alles klar beim Dieselskandal?

BGH-Urteile zu Schadensersatzansprüchen bei Diesel-Fahrzeugen

Am 26.06.2023 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) drei Urteile, die für Käufer von Diesel-Fahrzeugen von großem Interesse sind. Durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2021 haben Käufer von Diesel-Fahrzeugen nun einen Anspruch auf Schadensersatz, falls der Hersteller bei der Zulassung des Fahrzeugs falsche Angaben gemacht hat. Der BGH erkannte in diesem Zusammenhang grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von nur 5-15 % des Kaufpreises an.

Die rechtlichen Hürden und Vorteilsanrechnung

Allerdings gibt es einige rechtliche Hürden zu überwinden. So muss der Käufer des Fahrzeugs beispielsweise nachweisen können, dass eine Abschalteinrichtung im Pkw verbaut wurde, die gegen EU-Vorschriften verstößt. Bei vielen Diesel-Fahrzeugmodellen der Hersteller VW und Daimler scheint dies der Fall zu sein, bei anderen Herstellern ist dies noch unklar. Der BGH stellte fest, dass eine fahrlässige Pflichtverletzung des Herstellers vorliegen muss, damit eine Haftung dem Grunde nach besteht. Sollte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) bei einem Fahrzeugmodell keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet haben, kann möglicherweise kein fahrlässiges Handeln der Hersteller angenommen werden.

Sind diese rechtlichen Hürden überwunden, muss eine Vorteilsanrechnung erfolgen. Die gezogenen Nutzungen (Laufleistung des Fahrzeugs) und der Restwert des Fahrzeugs werden dem Schadensersatzanspruch entgegengehalten. Da die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt gut sind, könnte der Schadensersatzanspruch geringer ausfallen. Eine hohe Laufleistung des Fahrzeugs verringert die Ansprüche ebenfalls erheblich.

Die Verjährungen und Fristen

Es stellt sich auch die Frage, ob sich die Hersteller nicht in einigen Fällen zu ihren Gunsten auf die Einrede der Verjährung zurückziehen können. Dies ist denkbar in Fällen, in denen das betroffene Fahrzeug bereits sehr früh von einem verpflichtenden Rückruf betroffen war. Allerdings hat erst jetzt der BGH seine Rechtsprechung geändert. Zuvor war eine fahrlässige Pflichtverletzung der Hersteller im Rahmen des EU-Typengenehmigungsverfahrens nicht ausreichend, um Schadensersatz geltend machen zu können. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in dieser Hinsicht weiterentwickeln wird.

Fallstricke bei Schadensersatzansprüchen

Obwohl die Urteile des BGH auf den ersten Blick eine Erleichterung für Käufer von Diesel-Fahrzeugen darstellen, gibt es viele Fallstricke. Einige betroffene Autokäufer werden aufgrund der rechtlichen Hürden und der Vorteilsanrechnung geringen oder gar keinen Schadensersatz geltend machen können.

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Die häufigsten Fragen zum Abgas-Skandal

Ob ein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist, hängt vom jeweiligen Modell und Hersteller ab. Im Zuge des Abgasskandals wurden von den betroffenen Herstellern Rückrufaktionen gestartet, um die betroffenen Fahrzeuge nachzurüsten und die Abgaswerte zu verbessern.

Um herauszufinden, ob ein bestimmtes Fahrzeug betroffen ist, können betroffene Personen die Website des jeweiligen Herstellers besuchen oder sich an eine Vertragswerkstatt wenden. Dort können sie anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) prüfen lassen, ob ihr Fahrzeug von der Abgasmanipulation betroffen ist.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle betroffenen Fahrzeuge zwangsläufig zurückgerufen wurden und dass die Rückrufaktionen je nach Hersteller und Modell unterschiedlich ausfallen können. Daher ist es ratsam, bei einem Anwalt oder einer Rechtsschutzversicherung Rat einzuholen, um eine individuelle Beratung zu erhalten und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Wir als KS/AUXILIA beraten Sie gerne!

Die Geltendmachung großen Schadensersatzes beinhaltet die Rückgabe des Fahrzeugs an den Hersteller Zug-um-Zug gegen Herausgabe des gezahlten Kaufpreises. Der Kaufpreis wird gemindert durch die Nutzungsvorteile, die der Käufer des Fahrzeugs gezogen hatte.

Wird nur kleiner Schadensersatz gefordert, behält der Käufer das Fahrzeug. Die Schadenshöhe bemisst sich nach der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis und den fiktiven niedrigeren Kaufpreis, den er an sich hätte zahlen müssen. Der Käufer muss sich die Vorteile, die er aus dem Kauf des Fahrzeugs aber erhalten hat, anrechnen lassen. Das sind die gezogenen Nutzungen und der vorhandene Restwert (siehe hierzu u. a. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 24.01.2022, Az. VIa ZR 100/21). Zudem kann sich die Schadenshöhe reduzieren, wenn ein Softwareupdate aufgespielt wurde, das die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeugs erheblich reduziert.

Daneben gibt es aufgrund des Urteils des BGH vom 26.06.2023, Az. VIa ZR  335/21, die Möglichkeit, einen Differenzschaden geltend zu machen. Da in diesem Fall dem Hersteller kein sittenwidriges Handeln unterstellt wird, sondern nur eine fahrlässige Pflichtverletzung im Rahmen des EU-Typengenehmigungsverfahrens für ein bestimmtes Fahrzeugmodell, wird die Höhe des Schadensersatzes auf fünf bis fünfzehn Prozent des Kaufpreises beschränkt. Eine Vorteilsanrechnung ist durchzuführen. Diese berechnet sich wie beim kleinen Schadensersatz.

Thermofenster werden bei einigen Dieselfahrzeugen eingesetzt, um den Stickoxid-Ausstoß zu reduzieren. Dabei handelt es sich um eine Software, die die Abgasreinigungssysteme des Fahrzeugs je nach Betriebstemperatur und anderen Variablen reguliert.

Das Prinzip hinter den Thermofenstern ist, dass bei niedrigen Temperaturen die Abgasreinigungssysteme des Fahrzeugs nicht so effektiv arbeiten.

Aus diesem Grund wird bei niedrigen Außentemperaturen die Abgasreinigung reduziert oder ganz ausgeschaltet, um den Motor zu schonen und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Dies führt jedoch auch zu höheren Stickoxid-Emissionen.

Die Verwendung von Thermofenstern ist umstritten, da sie zur Umgehung von Abgasvorschriften genutzt werden können. Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 14.07.2022, Az. C-128/20, entschieden, dass ein Thermofenster unmittelbar dem Motorschutz dienen muss und lediglich eine Ausnahmeregelung darstellt. Die europäischen Regelungen zum Schutz vor Stickoxiden sind eng auszulegen und eine Abschalteinrichtung ist in der Regel unzulässig, wenn diese nicht unmittelbar dem Motorschutz dient, sondern praktisch regelmäßig eingreift. Die Ausnahme dürfe nicht zum Regelfall werden.

Im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal ist eine Abschalteinrichtung eine Software, die die Abgasreinigungssysteme eines Fahrzeugs während des normalen Betriebs reduziert oder abschaltet.

Eine Abschalteinrichtung ist in jedem Fall unzulässig, wenn sich die Stickoxidreinigung auf einem Prüfstand anders als im normalen Straßenverkehr verhält. In diesen Fällen liegt ein sittenwidriges Handeln des Herstellers vor (siehe Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).

Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Abschalteinrichtung zudem unzulässig, wenn diese nicht unmittelbar dem Schutz des Motors oder vor Unfällen dient. Zum Schutz der Umwelt darf eine Abschalteinrichtung nur gelegentlich wirken und nicht den Regelfall darstellen. Ob beispielsweise ein bestimmtes Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, hängt von einigen Faktoren ab und bedarf der gerichtlichen Klärung jeweils im Einzelfall.

Die Abgasmanipulationen haben verschiedene Schäden verursacht.

Im Falle einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der Käufer durch den Hersteller liegt der Schaden in der Eingehung des Kaufvertrags selbst. Der Käufer kann in einem solchen Fall die Rückabwicklung des Kaufvertrags oder den kleinen Schadensersatz geltend machen, da man davon ausgeht, dass er – hätte er von der Manipulation gewusst – ein solches Fahrzeug nicht gekauft hätte.

Wenn der Hersteller fahrlässig im Rahmen der EU-Typengenehmigung gehandelt haben sollte, kann man den Differenzschaden in Höhe von 5 bis 15 % des Kaufpreises geltend machen.

Zu beachten ist aber, dass man stets die Nutzungsvorteile, die man erlangte, herausgeben muss. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht daher beispielsweise nicht mehr, wenn man das Fahrzeug während der vollen durchschnittlichen Laufleistung fahren konnte. Je nach Modell nimmt die Rechtsprechung hier oft Gesamtlaufzeiten von 200.000 km bis 300.000 km an.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle betroffenen Fahrzeuge zwangsläufig Schäden erlitten haben und dass die Schäden von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen können.

Sind Sie betroffen? Lassen Sie sich von uns beraten. Wir helfen Ihnen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Veröffentlichungsdatum: 03/2023