Lebensgefährlich: Multitasking am Steuer

Bei 120 km/h auf der Autobahn kurz eine Textnachricht lesen, beim Abbiegen in der Innenstadt ein Schluck Wasser aus der Flasche – Ablenkung verursacht rund jeden zehnten Unfall in Deutschland und stellt damit eine oft unterschätzte Gefahrenquelle im Straßenverkehr dar. Der KRAFTFAHRER-SCHUTZ e.V. (KS) zu den Hintergründen.

Wer am Steuer eines Fahrzeugs sitzt, ist ausschließlich mit Fahren beschäftigt und voll auf den Verkehr konzentriert. Sollte man zumindest meinen. Die Praxis sieht hingegen oft anders aus. Die Bedienung des Bordcomputers, das Anhören von Hörbüchern oder Podcasts, Essen und Trinken während der Fahrt, das Herumkramen im Handschuhfach und ganz besonders die Benutzung des Smartphones sind Tätigkeiten, die die Aufmerksamkeit vom Verkehrsgeschehen ablenken. „Wer neben dem Autofahren noch E-Mails checkt, mit dem Handy am Ohr telefoniert, Kaffee trinkt oder versucht, das Fahrtziel in das Navi einzugeben, ist abgelenkt. Und oft reicht der Bruchteil einer Sekunde, in dem man nicht aufpasst, und schon kann es zu spät sein“, erläutern die Sicherheitsexperten des KRAFTFAHRER-SCHUTZ e.V. (KS) hinsichtlich der erhöhten Gefahr des Multitaskings am Steuer. Ein einfaches Rechenbeispiel der Kampagne „Runter vom Gas“ – eine Kooperation des Bundesverkehrsministeriums und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates – zeigt, wie fatal das sein kann: Eine Ablenkung von gerade mal einer Sekunde bei 50 km/h bedeutet ganze 14 Meter Blindflug; bei Tempo 80 sind dies bereits 22 Meter. Dennoch wird heute rund jeder zehnte Unfall durch Ablenkung am Steuer verursacht. Bei bis zu einem Drittel aller Unfälle ist Ablenkung zudem laut einer von der Allianz in Auftrag gegebenen Studie von 2016 eine Mitursache.

Kein Handy am Ohr oder Textnachrichten während der Fahrt!
Die Ablenkungsstudie der Allianz ergab auch, dass 47 Prozent aller Autofahrer ihr Mobiltelefon während der Fahrt auch händisch nutzen. Ganze 10 Prozent schrieben und 18 Prozent lasen während der Fahrt Textnachrichten. Diese Fälle sind jedoch in der Straßenverkehrsordnung (StVO) eindeutig geregelt. In § 23 (1a) Satz 1 StVO heißt es dazu: Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient, nur benutzen, wenn 1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und 2. entweder a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder b) zur Bedienung und Nutzung des Geräts nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist. Die Regelung gilt entsprechend auch für Fahrradfahrer.

Übrigens: Laut einem letztinstanzlichen Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts in Karlsruhe zu einem Fahrverbot für einen Tesla Fahrer, der bei Regen von der Straße abkam, weil er das Intervall des Scheibenwischers am Zentralbildschirm verstellen wollte, ist damit ein fest verbauter Berührungsbildschirm (Touchscreen) auch dann ein elektronisches Gerät, wenn damit beispielsweise das Scheibenwischer-Intervall verstellt werden kann. Auch hier, so die Richter, ist dessen Bedienung dem Kraftfahrzeugführer nur unter der Voraussetzung der Vorschrift des § 23 (1a) Sätze 1 und 2 StVO gestattet, ohne dass es darauf ankommt, welchen Zweck der Fahrzeugführer mit der Bedienung verfolgt. „Am sichersten für alle am Verkehrsgeschehen Beteiligte ist es, das Handy vor der Fahrt auszuschalten und beispielsweise das Navi, falls nötig, vor Fahrtantritt zu programmieren und per Sprachsteuerung laufen zu lassen. Dann kann man sich als Fahrer voll und ganz auf den Verkehr konzentrieren“, resümiert der KS.