Achtung Falschfahrer – Risiko auf der Autobahn

Zu erschreckenden Ergebnissen kommt die jüngste Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV): Falschfahrer auf Autobahnen sind in rund 40 Prozent der Fälle älter als 75 Jahre – Demenz und Verwirrtheit sind zumeist die Gründe für ihre Falschfahrt. Zudem werden viele Falschfahrten ganz bewusst begangen; auch Alkohol und Betäubungsmittel spielen eine Rolle. Was das für die Verkehrssicherheit und auch die Prävention bedeutet, hat der Automobilclub KS e.V. zusammengefasst.

Knapp 2.000 Mal pro Jahr wird im Verkehrsfunk oder über das Navi das Horrorszenario für zahlreiche Autofahrer gemeldet: „Achtung, Falschfahrer auf der Autobahn!“ Die Dunkelziffer dürfte dabei noch höher liegen, denn nicht jede Falschfahrt wird auch gemeldet. In der kürzlich erschienenen Studie „Unfälle durch Falschfahrten auf Autobahnen: Unfallmuster und Maßnahmen“ ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) den Ursachen für die Falschfahrten auf den Grund gegangenen – mit teils erschreckenden Ergebnissen. Während durch Falschfahrten verursachte Unfälle insgesamt selten sind, sind die Unfälle, die dabei passieren, jedoch von hoher Unfallfolgenschwere: Bei ganzen 28,1 Prozent dieser Unfälle kommen Menschen ums Leben. Zudem kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die weitaus größte Gruppe der Falschfahrer (48,1 Prozent) 65 Jahre und älter ist und aus dieser Gruppe die überwiegende Mehrheit (64 Prozent) in die Altersgruppe zwischen 75 und 84 Jahre fällt. Die Tatsache, dass 79 Prozent dieser Falschfahrer Männer sind, ist jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen, dass diese in der älteren Altersgruppe häufiger Auto fahren als Frauen.

Oftmals ganz bewusste Falschfahrt
„Eine weitere genauso erschreckende wie überraschende Erkenntnis der Studie ist die Tatsache, dass ganze 45,9 Prozent aller Falschfahrten bewusst begangen werden. Als Gründe dafür nennt der GDV hier suizidale Absichten oder die Flucht vor der Polizei wie auch eine falsche Einschätzung des Gefahrenpotenzials einer Falschfahrt. Letzteres dürfte vor allem das Wenden auf der Autobahn betreffen, wenn eine Abfahrt verpasst wurde. Auffällig ist hier, dass bewusste Falschfahrten umso häufiger vorkommen, je jünger die Fahrerinnen und Fahrer sind. Alkoholeinfluss als Unfallursache ist bei Falschfahrten in etwa sechsmal häufiger als bei anderen Unfällen im Straßenverkehr“, erläutert Isabella Finsterwalder, Pressesprecherin des Automobilclub KS e.V., die Studienergebnisse. Ob die Falschfahrer auf irgendeine Art und Weise beeinträchtigt waren, konnte nur in einem Teil der Fälle ermittelt werden. Klar ist aber: Als Ursache für die Falschfahrt dominieren aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Falschfahrer Demenz bzw. Verwirrung (32,7 Prozent), gefolgt von suizidalen Absichten (22,4 Prozent). Andere Beeinträchtigungen wurden mit 20,4 Prozent angeführt, die Flucht vor der Polizei immerhin zu 12,2 Prozent.

Bisherige Maßnahmen nur begrenzt wirksam
Die Erkenntnisse der jüngsten GDV Studie dürften künftig Auswirkungen auf die Prävention von Falschfahrten haben. „Die Ergebnisse sind erschreckend und zeigen, dass wir bisher unsere Hoffnungen auf Maßnahmen gesetzt haben, die nur begrenzt Wirkung entfalten können“, so Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer beim GDV. Eine Verbesserung der Linienführung und „Stopp-Hände“ nach österreichischem Vorbild an Autobahn-Anschlussstellen könnten nur wirken, wenn die Tat unbewusst geschieht und keine Demenz oder Verwirrtheit die Wirkung minimieren. Automatisch ausfahrende Krallen an Anschlussstellen können nur an Ausfahrten Einfluss nehmen, sind aber dazu noch sehr teuer und würden auch Rettungs- und Einsatzwagen stoppen, so der UDV Chef weiter.

Als am vielversprechendsten stuft die Studie dementsprechend nicht Infrastrukturmaßnahmen ein, sondern vielmehr Maßnahmen bezüglich Fahrzeugtechnik, etwa App-Lösungen, bei denen die Falschfahrer und ihr Umfeld informiert werden, oder eine Notbremsfunktion im Fahrzeug, die via Verkehrszeichenerkennung und GPS die beginnende Falschfahrt frühzeitig erkennt und das Auto automatisch stoppt. Darüber hinaus erachtet der Automobilclub KS e.V. auch die sogenannten Rückmeldefahrten für ältere Fahrerinnen und Fahrer als gute Möglichkeit, um die Fahrtüchtigkeit im Alter zu überprüfen und das Fahrverhalten zu verbessern.

Richtiges Verhalten bei Meldung von Falschfahrern
Doch wie verhält man sich am besten, wenn für den Autobahnabschnitt, auf dem man selbst gerade unterwegs ist, ein Falschfahrer im Radio oder über das Navigationssystem gemeldet wird? „Wer auf dem entsprechenden Autobahnabschnitt fährt, sollte auf jeden Fall Ruhe bewahren, die Warnblinkanlage einschalten und mit verringerter Geschwindigkeit auf der äußeren rechten Spur fahren, denn – auch das hat die GDV Studie gezeigt – Falschfahrer fahren meist rechts, also der Spur, die für die Richtigfahrer die linke ist. Zudem sollte man auf ausreichend Abstand zwischen den Fahrzeugen achten, nicht überholen und gegebenenfalls auch bei der nächsten Abfahrt von der Autobahn abfahren oder den nächsten Parkplatz nutzen, bis die Gefahr vorbei ist bzw. die Entwarnung im Verkehrsfunk gemeldet wurde“, rät Finsterwalder.

Wenn man selbst zum Falschfahrer wird
Grundsätzlich kann jedoch jeder Autofahrer ungewollt auch selbst zum Falschfahrer werden – schlechte Sicht, vor allem bei Dunkelheit, ein übersehenes Straßenschild, Orientierungsprobleme aufgrund ungünstiger Beschilderungen oder wegen undurchsichtigen Straßenverlaufs können schnell dazu führen, dass man falsch auf die Autobahn auffährt. Auch riskieren manche Fahrer lebensgefährliche Wendemanöver, wenn sie eine Autobahnausfahrt verpasst haben, und werden so zum Falschfahrer. „Realisiert man die eigene Falschfahrt, ist schnelles Handeln gefragt. Das bedeutet zunächst, sofort Licht und Warnblinker einzuschalten, um vom entgegenkommenden Verkehr bestmöglich wahrgenommen zu werden. Keinesfalls sollte der Falschfahrer rückwärts fahren oder wenden, sondern stattdessen umgehend den ihm näheren Fahrbahnrand ansteuern und das Auto dort abstellen. Außerdem: Niemals im eigenen Auto bleiben, sondern die Warnweste überstreifen und sich umgehend hinter der Schutzplanke in Sicherheit begeben und unter 110 die Polizei rufen“, erläutert Isabella Finsterwalder, Pressesprecherin des Automobilclub KS e.V., das gebotene Verhalten.